...in ein Schnittmuster.
Ja, so etwas gibt es. Hätte ich mir auch nie träumen lassen.
Burda Magazin 04 2014 ein Kleid (Mod 117). Ansich unspektakulär. Wenn...ja wenn da nicht dieser Ausschnitt gewesen wäre. Ein Stoffstreifen, aus dem Nichts, der am Ausschnitt auftaucht, sich einmal sanft um die Taille schwingt und auf der anderen Seite wieder im Ausschnitt verliert... Keine Naht, kein Kragen, kein erkennbarer Ansatz. Aber trotzdem da. Irgendwo muß der Stoffstreifen doch her kommen?
Den Rest der Burda konnte ich nicht mehr genießen. Den Kinderoutfitbaukasten habe ich erst viel später entdeckt. Sein Pech, wenn er weiter hinten stand.
Das Ding mußte ich mir anschauen. Wie machen die das?
Und schon hatte ich die wunderbarsten Varianten im Kopf:
Da hilft nur noch eins: ausprobieren. Noch etwas Gutes hatte dieses Schnittmuster: es lag in Kurzgröße vor. Nachdem ich bei den letzten Oberteilen von Burda grundsätzlich großzügig im Oberkörperbereich gekürzt habe, wollte ich eh mal ausprobieren, ob ich bei Kurzgrößen weniger am Schnitt ändern muß.
Das Ergebnis vorweg: dieses Kleid hat so ziemlich alle Stadien durch, die man an einem Stück verbrechen kann: Verliebtheit, Größenwahn, Blindheit, herbe Enttäuschung und Rettung.
Also Material. Burda empfiehlt: elastischen Jaquard. ca 1.5m x 1.2m
Okay. Also in meiner geerbten Tischwäsche gewühlt und Damast gefunden (einfarbiges, gemustertes Material, bei dem die Sichtbarkeit und 'Färbung' des Musters vom Blickwinkel abhängt). Allerdings nicht elastisch. Auch die Zusammensetzung mit viel Polyester und wenig Baumwolle verspricht keine besonders angenehmen Trageeigenschaften. Kann man aber mit einem hautfreundlichen Futter innen alles richten. Aber die Menge: 0.7m x 1.2m Das wird nix.
Alternativen? Jersey ist zumindest schon mal elastisch. Aber dem fehlt eine wichtige Eigenschaft, die diese Schnittbesonderheit braucht um zu wirken: optische Veränderungen, ahängig vom Blickwinkel auf das Gewebe.
Und jetzt setzt der Größenwahn ein...
Paspeln. Damit kann man noch jede Linie betonen.
Und außerdem gefällt mir der Ärmel so nicht. Viel zu streng.
Das Gleiche mit dem Rock. Jersey ist ein leichtes, flatteriges Sommermaterial. Da passen Bleistiftrock und strenge Ärmel einfach nicht. Also die betreffenden Teile abgeändert: die Ärmel luftig weit geschnitten, fast, wie eine Glocke.
Den Rock ausgestellt und auf den albernen Schlitz hinten verzichtet.
Und weil wir schon dabei sind: wieso soll ich einen Reißverschluß einnähen, wenn ich doch Jersey verwende? Auch weg, mit dem Ding. Das macht die Rückenpartie einfacher zu nähen.
Und weils so schön ist können wir hinten dann alles gleich in einem Stück zuschneiden. Ist ja kein teilender Reißverschluß mehr da. Ein kurzer Check sagt allerdings: LAAANGSAM! Die Rückennaht ist nicht gerade, sondern leicht geschwungen. Also behalte ich das mal bei. Aber der Steg im Rücken, die Verlängerung von vorne... da kann man doch beide Vorderteile im Bruch zuschneiden? Das wird richtig raffiniert... ich bin hin und weg...
Also Schnittmuster angepasst und zugeschnitten. Die neuen Ärmel, den neuen Rock, Vorder- und Rückenteil. Vorder- und Rückenteile aneinandergeheftet und anprobiert, damit ich mich da nicht vertue und die Dinger am Ende völlig verdreht zueinander sind. Gestutzt. Seit wann sind Burdamodelle derart knackeng geschnitten, daß man fast nicht rein kommt? An der Kurzgröße liegt es nicht, die ändert nichts an der Breite. Falsche Konfektionsgröße überhaupt abkopiert? Nein.
Mit Blindheit geschlagen. Da ist ein kleiner Streifen im Schnittmuster, den ich als Besatz für den Schlitz im Rock gehalten habe, den ich ja nicht nähe. Tja... der kommt hinten in den Rücken. Wer macht denn sowas??? Also sieht dieser Teil jetzt aus, wie normal. Kleine Raffinesse dahin. Ich kann damit leben.
Nächster Schritt: die Paspel. Ausgemessen, vorbereitet, angenäht. Wieso fehlt da jetzt was? Sollte ich mich verrechnet habe? Aber gleich um über einen Meter? Naja, was solls. Noch mehr Paspel gemacht, noch mehr Paspel angenäht.
Kleid zusammengesetzt. Wieso habe ich jetzt 2xPaspel an dieser Naht? Na wenigstens weiß ich jetzt, daß ich mich nicht verrechnet hatte. Das Zuviel an Paspel abgetrennt. Kleid zusammengesetzt. Die Kreuzung vorne ist ein wenig fummelig, mit Paspel sowieso. Aber der Nahttrenner ist ja mein bester Freund. Wir schaffen das! Das Kleid und ich.
Anprobe. Vor dem Spiegel hingedreht, hergedreht, ein wenig gezupft hier, ein wenig gezupft da... also ne, das geht so gar nicht. Vor lauter Begeisterung für den Schnitt habe ich vergessen, daß ohne Busen ein tiefer V-Ausschnitt einfach nicht wirkt. Enttäuschung pur. Aber eigentlich bin ich nicht bereit das Teil zu einem TFT (Teil Für die Tonne) zu erklären.
Klassischer Rettungsversuch: Einsatz im V. Ein Fake-Shirt wird untergenäht. In meinem Fall, weil mein Jersey auch gerade mal so gereicht hat, nur ein kleines Dreieck an der richtigen Stelle.
Und dann ein Fotoshooting. Im Spiegel sah alles noch ganz gut aus. Auf den Bildern aber... zum weglaufen. Das Fake-Shirt klafft nach unten, als wolle es den Wasserfallausschnitt üben, die überkreuzten Stoffbahnen spannen und falten überall hin, nur nicht da, wo sie hin sollen. Gruselig.
Also die Problemzonen überarbeitet.
Und sieh da, ich bin durchaus zufrieden:
Ein luftiges, leichtes Sommerkleid für den diesjährigen Sommer, der hoffentlich schön warm ausfällt.
Aber von diesem Schnittmuster werde ich trotzdem die Finger lassen. Eine Rettungsaktion reicht mir.
Eure
neko